Es gibt tatsächlich „echte“ Zwergkaninchen in der Natur: Die Spezies nennt sich Brachylagus idahoensis und kommt in Nordamerika als wilde Kaninchenrasse vor. Bei diesen Tieren handelt es sich um natürliche Zwerge: Sie werden maximal 30 Zentimeter lang und wiegen höchstens 500 Gramm. Zoologisch gesehen sind sie mit den Vorgängern unserer Hauskaninchen, den europäischen Wildkaninchen, zwar verwandt, gehören aber einer anderen Gattung an. Das Wildkaninchen Oryctolagus cuniculus als Urvater der heutigen Zwerg-Hauskaninchen ist deutlich größer – bis zu 45 Zentimeter – und wiegt zwischen 1,3 und 2,2 Kilogramm. Das Wildkaninchen verbreitete sich ursprünglich von der Iberischen Halbinsel und Teilen Nordafrikas zunächst über Europa und durch den Menschen schließlich beinahe weltweit. Der Hintergrund: Kaninchen dienten als Nahrung. Da sie einfach zu halten und äußerst fruchtbar waren, wurden sie in privaten Haushalten und Klöstern gezüchtet und zudem von Seeleuten mit auf ihre Reisen genommen.
Aber zurück zum Hauskaninchen: Auch in ihren natürlichen Verbreitungsgebieten kamen die Menschen auf den Gedanken, Wildkaninchen zu domestizieren und zu züchten, um sie zu essen. Dabei haben sie natürlich selektiert und die Tiere miteinander verpaart, die den besten Fleischansatz versprachen. Daher unterschieden sich die domestizierten Wildkaninchen schon bald hinsichtlich ihrer Größe von den wilden Vorfahren: Sie wurden deutlich kräftiger und massiger. Zu Farbmutationen kam es eher zufällig. Diese wurden später unter kontrollierten Zuchtbedingungen weitergegeben, sodass sich „bunte“ Kaninchen verbreiteten. Die gezielte Selektion brachte interessant gefärbte Tiere hervor, deren Pelz begehrt war. Zu guter Letzt etablierte sich die gezielte Liebhaberzucht von Farbkaninchen. Wie kam es neben solchen Zuchtformen zum Aufkommen der immer noch bunt gefärbten, aber wieder bedeutend kleineren Zwergkaninchen, die wenig wirtschaftlich in der Haltung erscheinen? Ausschlaggeben dürfte schlicht das niedliche Aussehen der kleinen Tiere gewesen sein. Zwergwüchsigkeit ist bei Kaninchen ein natürlich vorkommender genetischer Faktor, der mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit weitergegeben wird und bei gezielter Verpaarung kleinwüchsiger Tiere auch stärkere Verbreitung findet. Übrigens: Das gleiche Prinzip kommt bei der Zucht von Riesenkaninchen zum Einsatz. Kleine Kaninchen, die sich durch ihre besondere Optik auszeichnen, wurden vermutlich der Zucht entnommen und als Streichel- und Liebhabertiere gehalten.
Die systematische Zucht von Zwergkaninchen in Europa wird seit etwa 100 Jahren betrieben; heute leben die kleinen Mümmler überwiegend als geschätzte und geliebte Heimtiere.